Vorträge und Texte

Von Wirkung und Wirtschaftlichkeit. Ökonomische Aspekte, Denkgewohnheiten und Entscheidungsprozesse

Rechnen oder Wirtschaften

Sei es bei der Neuerrichtung einer Fotovoltaikanlage für einen mittelständischen Gewerbebetrieb, der Sanierung eines mehrgeschossigen Mietwohnungsgebäudes oder bei der Planung einer hocheffizienten, drehzahlgeregelten Pumpe für ein hydraulisches System in der Industrie  - es dauert nicht lange, dann entsteht bei den an der Entscheidung Beteiligten die Frage: Rechnet sich das auch? Schnell ist die Kapitalrückflusszeit (Return on Investment, ROI) bestimmt und schnell wird aus dieser Größe der Schluss gezogen: Nein, das rechnet sich nicht.

Auf diese Weise werden viele Investitionsvorhaben beurteilt und schnell beiseite gelegt. Welche Intention liegt diesem Ergebnis zugrunde? Geht es um die Sache, z.B. eine Energiesparmaßnahme oder um eine regenerative Energieform? Der Prozess der Entscheidungsfindung wird folgend in den Fokus genommen.

  • Was bedeutet die Frage: Rechnet sich das auch? Die Frage nach der Wirtschaftlichkeit wird in der Regel allein auf den Rückfluss des Geldes bezogen. Dieser ist entweder mit konzernseitigen Vorgaben versehen, häufig drei bis fünf Jahre, oder wird nach subjektiven Kriterien eingeschätzt.
  • Was bedeutet die Antwort: Die Kapitalrückflusszeit beträgt...? Diese Antwort zementiert die Kapitalrückflusszeit als maßgebliches Kriterium für Wirtschaftlichkeit. Darin spiegelt sich das Sicherheitsdenken zum Beispiel des Kapitalgebers, z.B. einer Bank, oder auch das der Entscheider im Management.

Die Wirkung dieser Relation, dieses Entscheidungsprozesses, liegt auf der Hand: Viele Maßnahmen werden nicht umgesetzt! Fotovoltaikanlagen mit Kapitalrückflusszeiten von zwölf Jahren, die sich jetzt mit dem neuen EEG auf vierzehn Jahre erhöhen, werden nicht errichtet. Blockheizkraftwerke, deren Wirtschaftlichkeit bei einem Betrachtungszeitraum von zehn Jahren ganz immens ist, werden nicht errichtet. Energieeffizienzmaßnahmen wie drehzahlgeregelte Pumpen, moderne Beleuchtungssysteme, Energiemanagementsysteme oder auch bauliche Maßnahmen werden nicht durchgeführt, obgleich sie sich in ihrer Lebensdauer refinanzieren können und sogar vom ersten Tag an Kosten sparen. Obgleich vielfältige Ziele zur CO2-Reduktion, zur Nachhaltigkeit, zur Effizienz und Effektivität in den langfristig angelegten Entwicklungsplänen der EU, der Bundes- und der Landesregierung definiert sind und sich in vielen Umweltberichten der Unternehmen wiederfinden, scheitern entsprechende Investitionsentscheidungen an der geschilderten Frage-Antwort-Relation. Wie können hier andere Handlungsweisen oder andere Grundhaltungen entstehen?

Prinzipien der Wirtschaftlichkeit

Der modernen Betriebswirtschaft liegen im Wesentlichen zwei Prinzipien zugrunde:

  •   das ökonomische Prinzip der Effizienz und
  •   das Prinzip der Maximierung des Eigennutzens (Adam Smith).

Diese Prinzipien begründen ökonomisches Handeln. Dienstleistungen und Produkte werden so effizient wie möglich hergestellt, entsprechend dem ökonomischen Prinzip wird das optimale Verhältnis von Einsatz zu Ertrag gesucht. Die Arbeit an der ständigen Optimierung bildet das Eigennutzprinzip ab, alle Handelnden streben danach, den persönlichen Nutzen fortlaufend zu maximieren.

Obgleich diese Betrachtung sicher nur skizzenhaft ist, wird deutlich, dass Nachhaltigkeit zunächst im ökonomischen Handeln keinen Platz hat. Nachhaltigkeit und Eigennutz besitzen als Motive zunächst keine Schnittmenge und solange es nicht gelingt, den Gebrauch von Natur und Umwelt durch wirksame Kostenstrukturen abzubilden, wird im Rahmen des ökonomischen Handels- und Bewertungssystems das Ziel der Nachhaltigkeit nicht abbildbar. Aktuell betragen die Kosten für eine Tonne CO2-Emission etwa 6 Euro. Die Initiative der EU, die externen Kosten der CO2-Produktion dadurch zu internalisieren, ist ge-scheitert. Die Frage nach der Wirtschaftlichkeit fokussiert nach wie vor auf die Kapitalrückflusszeit. Sie bleibt damit allein auf der Ebene des Geldes und greift zu kurz. Denn: Die Ebene der Wirkung der Investitionen bleibt unberücksichtigt! Eine Fotovoltaikanlage mit einer Kapitalrückflusszeit von 12 Jahren kann, wenn sie über 20 Jahre finanziert und abgeschrieben wird, schon ab morgen einen günstigeren Strompreis bieten, Emissionen reduzieren und nachhaltig sein.

Wirtschaftlichkeit in der Betriebswirtschaft

In der modernen Betriebswirtschaft sind in den letzten 100 Jahren zahllose mathematische Methoden zur Bestimmung der Wirtschaftlichkeit entwickelt worden. Kein Konzern, der nicht ein eigenes Controlling-System aufgebaut hat, Indikatoren bildet und so ökonomische Prozesse abbildet und steuert.

Doch Wirtschaftlichkeit ist niemals absolut zu sehen. Eine mögliche Investition ist immer nur als Variante mit einer anderen Variante zu vergleichen. Wirtschaftlichkeit ist immer eine Vergleichsbetrachtung und niemals auf eine Sache oder Investition allein bezogen.
Die Frage: Rechnet sich das denn? muss also mit der Gegenfrage beantwortet werden: Im Verhältnis wozu? Vergleichsbetrachtungen sind zum Beispiel:
-    die Gewinnvergleichsbetrachtung
-    die Kostenvergleichsbetrachtung
-    die Verzinsungsvergleichsbetrachtung
-    die Effektivität der Investition (Euro/Tonnen CO2 gespart).
Wesentlich ist der Blinkwinkel des Betrachters. Kapitalgesellschaften wie große Aktiengesellschaften und große GmbHs erwirtschaften eine Eigenkapitalverzinsung. Aktionäre und Gesellschafter suchen eine optimale Verzinsung des eingesetzten Kapitals und werden entsprechend darauf drängen, die Wirtschaftlichkeit es eingesetzten Kapitals zu maximieren.

Unternehmergeführte Unternehmen stellen sich weit weniger die Frage, ob ihr Geld in einem weltweiten Markt Verzinsung produzieren soll oder ob es als Investition in das eigene Unternehmen wirken soll. Die unternehmerische Betrachtung fokussiert darauf, wo mögliche Gewinne im Unternehmen reinvestiert werden können und dort die bestmögliche Wirkung und Zukunftssicherung betreiben (Silhouette: 'Ich kenne keinen besseren Platz für mein Geld als in meinem Unternehmen'.).

Geld und Wirtschaftlichkeit

An dieser Stelle sei als Exkurs ein kurzer Blick auf die Funktion des Geldes getan. In der modernen Wirtschaft und der Betrachtung von Wirtschaftlichkeit hat sich ‚Geld‘ in den letzten Jahrzehnten deutlich verwandelt. Durch die großen Finanzkrisen (Lehmann Brothers), die Staatskrisen in Europa und die übergroße Geldmenge mit der entsprechenden Verzinsung ist Unsicherheit in Bezug auf das Geld entstanden. Vor diesem Hintergrund sind viele Anleger auf einen schnellen Rückfluss ihres Geldes bedacht und fordern einen entsprechend schnellen Return on Investment.

Geld ist ein Werkzeug! Mit diesem Werkzeug sind Investitionen möglich und deren Kosten, für die Nutzung dieses Werkzeugs, sind Zinsen. Aus dieser Perspektive gilt es für ökonomisch und nachhaltig denkende Unternehmen Geld als Werkzeug in Investitionen zu geben und eine Refinanzierung über die Lebensdauer der Maßnahme oder des Produktes vorzunehmen. Dadurch werden Kostenvorteile moderner, innovativer, nachhaltiger und effizienter Investitionen sofort wirksam und für das Unternehmen über die Lebensdauer, langfristig, sicher und wirtschaftlich.

Perspektivenwechsel

Kapitalrückflusszeit und Eigenkapitalverzinsung (nicht selten werden hier drei Jahre gefordert, was einer Eigenkapitalverzinsung von 33 Prozent (!) entspricht) sind übliche und verbreitete Kriterien zur Einschätzung der Wirtschaftlichkeit. Eigenkapital ist üblicherweise Eigenkapital des Unternehmens, das in die zu betrachtende Investition eingebracht wird. Angesichts der zurzeit günstigen Fremd-Finanzierung (am freien Markt für ein bis zwei Prozent) kann es sich empfehlen, eben gerade kein Eigenkapital einzubringen.
Wechsel der Perspektive: Geld wird im Rahmen einer Investitionsentscheidung zum Werkzeug. Dieses Werkzeug wird so lange benutzt, wie es gebraucht wird - und damit wird es zum Kostenbestandteil.

Ein bemerkenswertes Modell bieten hier Schweizer Finanzierungsmodelle. Soziale Einrichtungen erhalten Geld - auf unbestimmte Zeit. Das Interesse des Mittelgebers ist die Verzinsung und eben nicht der Kapitalrückfluss. Der Mittelgeber, der sein Geld zur Verfügung stellt, freut sich über einen geeigneten Ort für sein Geld und sein Interesse ist die Verzinsung des eingesetzten Kapitals sowie und die langfristig sichere Anlage.

Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit

In den letzten Jahrzehnten sind vielfältige Methoden entwickelt worden, die Vorgaben der Nachhaltigkeit im ökonomischen Kontext abzubilden. Diese Methoden zielen darauf ab, externe Kosten des Naturverbrauchs an CO2-Emissionen, Landschaftsverbrauch und Abfallaufkommen wirtschaftlich zu bewerten und in die Wirtschaftlichkeitsberechnungen einzubeziehen. Mit dieser Internalisierung externer Kosten ließen sich im sonst gleichen ökonomischen Prinzip und mit den sonst gleichen Methoden nachhaltige Aspekte in die Entscheidungsprozesse einbeziehen.

Bis heute ist es allerdings nicht gelungen, die externen Kosten, z.B. die CO2-Belastung, so wesentlich zu verteuern, dass in den Wirtschaftlichkeitsberechnungen eine nachhaltige Veränderung geschieht. (Australien schafft im Juli 2014 die Klimasteuer ab, die 340 Betriebe belastet hat.)

Dennoch: Es ist nicht erforderlich, die ökonomischen Gesetze zu verändern. Die ökonomischen Systeme sind leistungsfähig, es gilt einen Perspektivenwechsel vorzunehmen und die ökonomischen Systeme weiter zu entwickeln.

Neues Denken und neue Perspektiven

Welches Potenzial erschließt sich, wenn wir die Wirtschaftlichkeitsberechnungen präzise anwenden und reine Kostenvergleichsrechnungen vornehmen? Wenn wir das eingesetzte Kapital tatsächlich als Werkzeug begreifen und nutzen und damit unsere ökonomischen Grenzen erweitern?

  • Werden sich dann Fotovoltaikanlagen, die heute schon wirtschaftlich sind, häufiger zur Eigenstromerzeugung einsetzen lassen?
  • Werden Kraft-Wärme-Kopplungssysteme, die vom ersten Tag an günstig Wärme und Strom zur Verfügung stellen können, realisiert werden?
  • Werden Energieeffizienzmaßnahmen in unseren Gebäuden realisiert?

Das Potenzial der heute schon wirtschaftlichen Maßnahmen ist groß. Ergänzt durch eine Einbeziehung externer Kosten entstehen viele nachhaltig wirksame und ökonomisch absolut tragfähige Handlungsmöglichkeiten. Der Blick auf die Begriffe hat gezeigt:

  • Die Frage: "Rechnet sich das?" ist nicht präzise genug gestellt, um weitreichende und intelligente Entscheidungen abzuleiten. Die Antwort: "Die Kapitalrückflusszeit beträgt X Jahre", ist allein auf das Geld bezogen, eindimensional und nicht geeignet für eine umfassende Betrachtung der Möglichkeiten.
  • Geld ist ein Werkzeug, das Handeln ermöglicht.
  • Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen sind immer Vergleichsbetrachtungen.
  • Nachhaltigkeit und ökonomisches Denken und Handeln gehen sehr wohl zusammen und können Gewinn bewirken.
  • Die unternehmerische Perspektive, Geld als Werkzeug im und für das Unternehmen zu nutzen, ist tragfähig bei der Umsetzung von Investitionen in nachhaltige und wirtschaftliche Maßnahmen.

Durch diesen Perspektivenwechsel entsteht unter Beibehaltung des Systems eine neue Orientierung mit neuen Ergebnissen. Für die Realisierung von nachhaltigen Projekten ist es nicht erforderlich, Wirtschaftsprinzipien zu ändern oder eine Moraldiskussion zu führen - es reicht, präzise mit den vorhandenen Werkzeugen umzugehen, um einen wesentlichen Schritt zu wirksamem Klimaschutz zu leisten.

Weiterführende Gedanken und Entwicklungen

Mit den Auswirkungen ihres Handelns auf die Umwelt setzen sich die Menschen in Industriegesellschaften bereits seit einigen Jahrzehnten auseinander. Der Ölpreisschock 1971 gab den entscheidenden Impuls, die autofreien Sonntage 1973, Studien wie ‚Global 2000‘, ‚Die Grenzen des Wachstums‘ und die erste Umweltkonferenz in Rio sind Meilensteine in diesem Prozess. Zahllose Initiativen sind entstanden, Konzepte wurden erstellt und manche von ihnen wurden umgesetzt. Zunächst stand der Begriff ‚Umwelt‘ im Mittelpunkt, bis in den achtziger und neunziger Jahren ‚Ökologie‘ das Thema und der Begriff der Zeit  war. Ökologisches Bauen wurde in der Zeit erprobt, ökologische Produkte bis hin zu ökologischer Kleidung wurden entwickelt, Ökosysteme und ihre Zusammenhänge wurden Gegenstand wissenschaftlicher Betrachtungen.

Mit dem Ende des letzten Jahrhunderts  wandelte sich die Begriffswelt erneut. Der ‚Klimawandel‘ als Realtiät und Begriff rückte in den Vordergrund. Die Diskussion wurde zunehmend global geführt, Klimaschutzziele, bezogen auf die CO2-Belastung und Temperaturziele wurden gestellt. Studien, die vom IPCC und der Internationalen Energieagentur veröffentlicht wurden machen deutlich: Die Klimaveränderung hat begonnen und der Klimawandel ist längst als Tatsache akzeptiert. Folgerichtig werden also Klimafolgeanpassungen geplant und zahlreiche Länder bereiten sich auf die Folgen des Klimawandels vor. Länder der Dritten Welt, denen die Mittel fehlen, sich zu schützen, rechnen mit einem Verlust von Lebensraum und Versorgungsgrundlagen. Hochindustrialisierte Länder schaffen mit Dämmen, Sumpfungssystemen, leistungsfähigeren Regenwasserabfuhrkonzepten, Kühlsystemen und anderen technischen Einrichtungen zunächst Abhilfe.

Entwicklung

Parallel zu den Begriffen veränderten sich die Mittel, die in den letzten Jahrzenten eingesetzt wurden, um das Klima zu schützen. Anfänglich, in den siebziger und achtzier Jahren, wurden gesetzliche Rahmenbedingungen geschaffen, um die Energieeffizienz zu steigern - in diese Zeit gehören die autofreien Sonntage und die Einführung der Sommerzeit. Die Energieeinsparverordnung, das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz, das Erneuerbare Energiengesetz und das Erneuerbare Energien-Wärmegesetz folgten.
Vor vierzig Jahren dachten die Menschen, Ökologie sei die Perspektive, die eine Lösung hervorbringt. Später war man überzeugt, Energiesparen sei die entscheidende Weiterentwicklung. Etwa seit den neunziger Jahren erleben wir den Trend, die Klimaschutzfrage auf der Ebene des Bewusstseins zu verankern. Durch Aufklärung über die Folgen menschlichen Handelns sucht man Einsicht zu fördern und die Menschen anzuregen, ihr Verhalten und damit die Folgen für die Ökologie zu ändern. Inzwischen, seit Beginn des neuen Jahrtausends, werden umweltpolitische Aufgaben und Fragestellungen in ökonomische Prinzipien eingefügt. Die Einführung der CO2-Steuer war ein Versuch, die Umweltauswirkungen zu monetarisieren, die externen Kosten zu internalisieren und so ein ökonomisches System aufzubauen, das von sich aus effizient mit der Umwelt umgeht. Heute, im Jahr 2014, stellen wir fest, dass bei einem Marktpreis von acht Euro pro Tonne CO2 keine wesentlichen Auswirkungen der CO2-Zertifikate auf die Entscheidungen in Gewerbe und Industrie erreicht wurden.

Begrenzung

In den letzten dreißig Jahren sind in Europa, besonders in Deutschland, viele technische Entwicklungen gelungen: Von der Einführung der Brennwertkessel über die Brennstoffzellen, die Energiesparleuchten und LEDs, über Lüftungsanlagen bis hin zur Definition des Minergiehausstandards in der EnEV. Diese Entwicklungen hatten tatsächlich Auswirkungen auf die CO2-Bilanz. Die gesetzten Ziele haben sie aber bei Weitem nicht erreicht. Die angestrebten Klimaziele der Zukunft:
-    2 Grad Temperatursteigerung
-    20 % der heutigen CO2 - Emmission
sind nicht näher gerückt.

Zwar hat die Effizienz in der Energieerzeugung und Energieanwendung stark zugenommen, doch die damit verbundene Energieeinsparung wird durch Wirtschaftswachstum und Nutzungsänderungen überlagert. Als Rebound Effekte zeigen sich diese Überlagerungen bei der Energieeffizienzentwicklung zum Beispiel im Wohnungsbau.

Mit der Abnahme des spezifischen Energiebedarfes für die Beheizung eines Gebäudes ging eine deutliche spezifische Zunahme der genutzten Wohnfläche pro Person einher. Heute stellen wir fest, dass trotz gesteigerter Energieeffizienz der Energiebedarf pro Person in etwa gleich geblieben ist und damit kein Beitrag zum Klimaschutzziel geleistet wurde. Ähnliche Überlagerungen ergeben sich aus demografischen Entwicklungen, ökonomischen Prozessen dem stetigen Wirtschaftswachstum und anderen Bereichen, in de-nen sich nicht nur eine oder zwei Varianten überlagern, sondern gleich sechs oder sieben Prozesse ineinander greifen. (Hierzu sind gesonderte Untersuchungen im aktuellen Bericht der Internationalen Energieagentur zusammengefasst.)

Wie die Untersuchungen von Paul R. Ehrlich gezeigt haben gibt es bislang kein schlüssiges Konzept, die Entwicklung der Weltbevölkerung mit der Entwicklung des Lebensstandards aller Menschen zu verbinden und sozial und umweltverträglich zu gestalten. Zwangsläufig steigt mit der Bevölkerungsdichte der Energiebedarf. Effektivität und Effizienz können diese Bedingtheit nicht ausgleichen.

Die Wahrheit ist, dass es bislang kein überzeugendes Szenario gibt, das für eine Welt mit neun Milliarden Menschen stetig wachsendes Einkommen, soziale Gerechtigkeit und ökologische Nachhaltigkeit verbindet. (Tim Jackson, im Auftrag des Finanzministeriumns UK)

Neue Wege wollen beschritten werden.
Neue Schritte gilt es zu entwickeln.

Entwicklungsraum Kultur

Viele Veränderungen - vom ‚Zeitalter‘ der Ökologie bis zum Klimaschutz - sind im Alltag sichtbar. Fahrzeuge sind mit Katalysatoren und Rußpartikelfiltern ausgestattet. Aus den Spraydosen verschwanden FCKW-haltige Treibmittel. Regenerative Energieen machen im bundesweiten Strommix bald 20 % der Erzeugung aus und auch im Bausektor haben nachhaltige Bau- und Dämsstoffe einzug gehalten und Lebenszyklusbetrachtungen begonnen die Grundlage für Entscheidungsprozesse zu bieten. Der Begriff der Nachhaltigkeit - nun kommen wir im Hier und Jetzt an, denn das ist aktuell der Begriff und auch das Anliegen, das uns beschäftigt! - beinhaltet die Frage, wer und wie dafür sorgen wird, dass politische und technische Neuerungen im täglichen Alltags- und Geschäftsleben wirksam werden. Diese Wirksamkeit kann nur durch eine Gesellschaft als Ganzes, nur durch handelnde Menschen, erreicht werden. Das bedeutet eine spürbare Veränderung der Kultur - und die ist bereits im Gange!

Als ein Beispiel dafür sei die Veränderung in Bezug auf das Rauchen im öffentlichen Raum genannt - hier beobachten wir eine deutlich spürbare Veränderung  des Verhaltens. Es gilt, eine Klimakultur zu leben. Kultur ist, wie Menschen handeln. Kultur ist formende Gestaltung jedes Einzelnen. Nachhaltigkeit gelingt, sobald sie gelebt und getan wird.

Haltung und Handlung

Eine Effizienzrevolution allein, das haben die vorangegangenen Ausführungen und vor allem die in mehreren Jahrzehnten gesammelten Erfahrungen gezeigt, wird nicht zur Erreichung der Klimaziele führen. Es reicht nicht, quantitativ Einfluss zu nehmen. Kultur gestaltet qualitativ. Genau diesen Aspekt greift der Begriff auf, der zurzeit die Diskussion in Sachen Klimaschutz und Ökologie bereichert: Suffizienz.

Unter dem Begriff Suffizienz entwickeln sich sowohl im Privatbereich als auch in der Fachöffentlichkeit eine Denkrichtung und eine Haltung, die nicht nur Verhaltensweisen hinterfragt, sondern auch Handlungsmöglichkeiten und Lösungen anbietet. Suffizienz (lateinisch sufficere, ausreichen) weist auf das rechte Maß hin und thematisiert eine Begrenzung von Mitteln, Konsum und Energiebedarf. Die Besinnung auf das Ausreichende geht keineswegs mit einem Verlust an Lebensqualität einher. Sie erinnert an das, was den Menschen am Herzen liegen, an die Wertestruktur, schlägt die Entschleunigung des Lebens und eine Entflechtung der Lebensweise vor.

Menschen und Kommunen

Können wir eine Kultur des maßvollen Verbrauchs von Energie- und Rohstoffen entwickeln? Können wir sorgsam mit den Produkten umgehen und zu einer Steigerung der Langlebigkeit und Verlängerung der Nutzung einzelner Produkte beitragen? Können wir eine Kultur der sozialen und ganzheitlichen Verantwortung leben? Wir können es. Die zahlreichen sozialen Projekte zeigen, dass eine Haltung abseits der starken Ökonomisierung in den Menschen verankert ist.

Suffizienz - Besinnung auf das Ausreichende, Notwendige, das am Herzen liegende verbunden mit einer Verantwortung für das Ganze. Jeder Einzelne kennt diese Haltung. Über Generationen hinweg haben die Menschen gemeinsam gehandelt und sich gegenseitig unterstützt, Ressourcen gepflegt und gebildet. Nachbarschaften, soziale Initiativen und viele Projekte zeigen die Fähigkeiten und Potenziale auf deren Basis neue Entwicklungen entstehen. Klimakultur beinhaltet Suffizienz.

  • Welche Antworten, welche Maßnahmen, welche Vereinbarungen entstehen, wenn wir an dieser Stelle, mit dieser Perspektive, weiterdenken?
  • Welche Verbundenheit und welche Qualität entsteht in einer Kommune, in der die Menschen nicht das ökonomische Wachstum, sondern das Wachsen dieser Form der Verantwortlichkeit in den Vordergrund stellen?
  • Wo im Geschäft und im Alltag wird Klimakultur bereits heute sichtbar?

Ausgangslage: Von wo können wir ausgehen?

Ob im privaten Wohnungsbau oder bei der Errichtung eines Verwaltungsgebäudes, immer stellt sich die Frage nach einem geeigneten System der Energieerzeugung und –umwandlung. Dabei sind es häufig Gesetze und Normen (wie die DIN 18599 oder die jetzt gerade in der neuen Fassung gültige Energieeinsparverordnung) oder auch Förder- und Finanzierungsmöglichkeiten (wie sie z. B. die KfW bietet) und nicht zuletzt Energiestandards (wie der jetzt überarbeitete Passivhausstandard), die den Entscheidungsprozess wesentlich mitbestimmen. Mit den Ergebnissen des Klimagipfels, der vor wenigen Wochen in Paris stattgefunden hat, entsteht zudem eine neue Ebene. Wenn sich 200 Länder der Welt vereinbaren, bis 2030 die Klimagase so zu reduzieren, dass die Erderwärmung nicht mehr als 2°C erreicht und bis 2050 die Treibhausgasemissionen quasi auf 0 reduziert werden sollen, wird dies Einfluss auf die Bauprozesse und Bauentscheidungen haben (müssen).

Von wo aber können wir ausgehen, wenn es gilt Gebäude zu entwerfen und Energiekonzepte zu definieren? Baukonstruktionen sind zu wählen und haus- und energietechnische Systeme zu entwerfen, um ein umfassendes Nachhaltigkeits- und Energiekonzept für ein Gebäude zu erstellen. Um diesen Entwicklungsprozess zu leiten, bietet dieser kleine Beitrag drei Fragen an:

  • Wo denken wir hin?
  • Was rechnen wir uns aus?
  • Wie entscheiden wir?

Mit diesen Fragen werden im Entscheidungsprozess viele Themen berührt, die heute und zukünftig vermutlich verstärkt zu beachten und zu betrachten sind.

Systemgrenze: Wo denken wir hin?

Jeder Mensch verursacht durch sein ganz persönliches Leben Auswirkungen auf die Umwelt. Nahrungsmittel, die Art zu wohnen, die Art zu arbeiten und die Art, sich zu bewegen - all das führt zu einem ökologischen Fußabdruck, zu einem Carbon Footprint, der durch die persönlichen Entscheidungen beeinflusst wird. Die Frage nach dem geeigneten Heizsystem für ein Gebäude ist dabei viel zu kurz gegriffen, um ein nachhaltiges Energiekonzept zu entwerfen.
Es ist leicht vom Energiestandard auf den möglichen Energiebedarf zu schließen und die nach Wirkungsgrad und Kosten optimierte Lösung für die vorliegende Nutzung zu finden. Diese Systemgrenze ist allerdings viel zu eng, um die vielfältigen Energieaspekte zu umfassen, vielmehr stellt sich die Frage: Wo denken wir hin? Oder vielmehr noch: Wo denken wir uns hin?

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Bild 1:    Systemgrenzen

Anekdote: Die Systemgrenze in einem Bus in Kairo

Vor nicht allzu langer Zeit bin ich im Rahmen einer Reise zu einer biologischen Farm in Ägypten in Kairo längere Zeit mit einem Bus gefahren. Dabei war deutlich zu sehen: Der Busfahrer fühlte sich für seinen Bus und die Ordnung in seinem Bus verantwortlich. Bei jedem Halt wurde hier und dort ein wenig gefegt, der Müll gesammelt und in einem Mülleimer, direkt beim Busfahrer, gesammelt. Mitten während der Fahrt öffnete der Busfahrer dann das Fenster und schüttete den gesammelten Müll des Busses auf die Straße. So sieht es in Ägypten auch aus, alle Straßenränder sind von Müll und Unrat überfüllt - kein schönes Bild. Hier wird mir deutlich: Die Systemgrenze des Busfahrers ist die Außenwelt, die Welt außerhalb seines Busses. Hier fühlt er sich nicht mehr zuständig, hier wirft er seinen Müll hin.

Für die Entscheidung, welches Energiekonzept für welches Gebäude richtig ist, gilt es die Systemgrenze festzulegen. Die Auswahl des Heizsystemes für das Gebäude und die Nutzung ist dabei nur ein Schritt. Es stellen sich viele Fragen:

  • Wird dieses Gebäude in Zukunft selbst Energie erzeugen und z. B. durch eine Photovoltaikanlage den Eigenbedarf der Bewohner decken können?
  • Wird dieses Gebäude einen Energiestandard haben, der zu einem sehr reduzierten Energiebedarf führt (z. B. ein Passivhaus)?
  • Wie wird dieses Gebäude liegen, welchen Verkehr zur Arbeitsstelle (Mobilitätsbedarf) werden wir mit der Lage des Gebäudes erzeugen?
  • Wie viel Energieaufwand wird an der Arbeitsstelle entstehen?
  • Wie werden persönliche Reisen, wie z. B. Fernreisen die CO2-Bilanz beeinflussen?
  • Nicht zuletzt: Wie werden sich Primärenergiefaktoren, also der gesamte Energiemix entwickeln und sich damit Emissionen der Nutzung von Energie (gerade der elektrischen Energie) wesentlich verändern?

Die nur sehr überschlägige und musterhafte Betrachtung des Systems in Bild 1 zeigt dabei, dass

  1. allein die Wärmeversorgung für einen Menschen in einer Wohnungsgemeinschaft mit 4 Personen von 150 m² bei einem energieeffizienten Gebäude etwa 773 kg CO2 pro Jahr beträgt,
  2. bei der Stromnutzung von etwa 1.500 kWh/a entsteht etwa 700 kg CO2/a.
  3. Wird mit einer PV-Anlage der Strom selbst erzeugt, reduziert sich dies auf etwa 450 kg CO2/a.
  4. Mit der Nutzung des Gebäudes (Herstell-Energie, Betrieb und Entsorgung ohne Energiekosten) entstehen etwa 350 kg CO2 pro Jahr und Mensch.
  5. Für den Arbeitsweg von etwa 30 km entstehen allein 1.500 kg CO2.
  6. Für den Privatweg bei 10.000 km noch mal etwa 1.200 kg CO2.
  7. Rechnen wir dann noch mit Flugreisen von 2 x 5.000 km, addieren sich hierzu noch einmal 3.000 kg CO2 pro Mensch und Jahr.

Deutlich wird dabei: die Mobilität bestimmt die CO2-Bilanz ganz vordringlich. Auch zeigt sich, dass der Energiebedarf eines Gebäudes von großer Relevanz für die persönliche CO2-Bilanz ist. Hier lässt sich der Schluss ziehen: Energieeffiziente, energiesparende Gebäude sind der erste Schlüssel für ein nachhaltiges Energiekonzept. Mit der Reduzierung des Strombedarfes durch Energieeigenerzeugung, z. B. mittels einer Photovoltaikanlage und letztlich durch eine hocheffiziente Energieversorgung und Energieumwandlung, entsteht bei der Betrachtung einer umfassenden Systemgrenze ein Gesamtenergiekonzept.

Was rechne ich mir aus?

Die Betrachtung der Wirtschaftlichkeit einzelner Energiesysteme, aber auch des gesamten Gebäudes mit seinem Energiestandard, wird in der Regel in der Frage zusammengefasst: „Rechnet sich das auch?“. Demgegenüber steht die in der Umgangssprache häufig gestellte Frage: Was rechne ich mir aus? Hier wird in der Regel gar nicht von „rechnen“ im Sinne von Mathematik ausgegangen, sondern eine Erwartung formuliert: Ich rechne mir aus hier mindestens den 2. Platz zu gewinnen, ich rechne mir aus, dass dies und das gelingt! Diese Art von Ausrechnen ist die Formulierung einer Erwartung und es stellt sich die Frage inwieweit wir die ökonomische Betrachtung von energieeffizienten Gebäuden nicht auch unter diese Erwartungshaltung stellen können.

Ein kleines Rechenbeispiel zeigt wie unterschiedlich eine Betrachtung des gleichen ökonomischen Prozesses sein kann.

Beispielrechnung:
Für eine Sanierung einer Anlage mit  einer Investition von 7.000,- € entsteht eine  Einsparung . Die Betriebskosten sinken um 1.000,- €/a.
Jetzt stellt sich die Frage: Wie wird diese Investition ökonomisch beurteilt? Rechnet sich das auch?/ Was rechne ich mir aus?
Häufig wird für diese ökonomische Betrachtung eine einfache Amortisationsrechnung durchgeführt. Die Investitionskosten werden durch die Ersparnis geteilt, was in diesem Fall eine Kapitalrückflusszeit von 7 Jahren bedeutet. 7 Jahre heißt in der Industrie in der Regel: Es wird nicht investiert. Im umgangssprachlichen Bereich würde oft ausgedrückt: Das rechnet sich erst nach 7 Jahren (wie z. B. bei der Photovoltaik, die sich angeblich erst nach 12 oder 14 Jahren rechnet).
Ganz anders die Betrachtung der Vollkosten über die Lebensdauer: bei einem Betrachtungszeitraum von 10 Jahren und einer Abschreibung der 7.000,- € starken Investition über diese 10 Jahre und der angenommenen Ersparnis von 1.000,- €, entsteht ein Gewinn von 300,- € pro Jahr. Jedes Jahr wird also diese Anlage, diese Investition, wirtschaftlich sein und einen Gewinn erzeugen.

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Bild 2:    Kosten über die Lebensdauer

Jetzt stellt sich die Frage, eventuell eine  Fremdfinanzierung einzubeziehen. Geht man davon aus, dass ein Eigenkapital von 2.000,- € vorliegt und 5.000,- € zu 3 % finanziert werden müssen, entsteht bei einer Betrachtung über 10 Jahre immer noch ein Gewinn von 215,- € pro Jahr. Noch viel besser: Die Eigenkapitalverzinsung, bezogen auf den Gewinn, beträgt schon im ersten Jahr 10 %. Über den gesamten Zeitraum betrachtet beträgt die Eigenkapitalverzinsung sogar 20 % pro Jahr, damit eine ungemein wirtschaftliche Investition.

Es stellt sich somit bei der Wahl eines geeigneten Systemes weder die Frage „Rechnet sich das?“, sondern vielmehr die Frage: Was rechne ich mir aus, was ist meine Erwartung und wann werde ich in welchem Rahmen handeln können und wollen?

Wie handeln wir denn?

Der Entscheidungszusammenhang im privaten, wie im geschäftlichen Bereich setzt sich aus einer ganzen Anzahl von Teilbereichen zusammen, die jeder für sich einen großen Einfluss auf die tatsächliche Handlung haben. Aus einem ganz persönlichen Weltbild und einem Menschenbild entsteht zusammen mit einem Selbstbild ein Anspruch an die gestellte Aufgabe, in diesem Fall die Bauaufgabe. Hierauf folgend werden Ziele definiert und der gesetzliche Rahmen sowie der ökonomische Rahmen gefasst. Es entstehen in der Folge verschiedene Handlungsvarianten, die nach verschiedenen hier gebildeten Kriterien beurteilt werden. Dazu gesellen sich Bilder, Empfindungen als Vorgaben für die verschiedenen Varianten und es entsteht ein Lösungsansatz.

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Bild 3 : Bilder und Handlungen

Interessant ist, dass nach dem nachvollziehbaren Prozess Entscheidungen folgen und eine Realisierung entsteht, die nicht (immer) dem vorausgegangenen Prozess entspricht. Die im Begriff kognitive Dissonanz gefasste „Unlogik der Handlung“ beeinträchtigt und beeinflusst unsere Entscheidungsprozesse.

Dennoch bleibt festzustellen, dass bei der Wahl eines Heizsystemes zunächst zu fragen ist: Wo ist der gesamte Systemrahmen zu setzen? Hierauf folgend kann die Frage der Ökonomie zu ganz unterschiedlichen Ansätzen führen und in einen Gesamtentscheidungsprozess münden, der viel mehr ist als eine technische Entscheidungsfrage, der eher nah an die menschliche Haltung und Lebensperspektive heranrückt.

Fangen wir doch einfach an, zu tun - alles das zu tun, was offensichtlich richtig ist: Häuser so sparsam wie möglich zu errichten (Herstellenergie) und so die Gebäude - soweit denkbar - regenerativ mit Energie zu versorgen und diese Gebäude nah an unsere Arbeitsplätze zu legen.

Unser Lebensstil ist es, der über die CO2 Bilanz entscheidet, nicht der Wirkungsgrad unseres Heizsystemes.