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Von Wirkung und Wirtschaftlichkeit. Ökonomische Aspekte, Denkgewohnheiten und Entscheidungsprozesse

Rechnen oder Wirtschaften

Sei es bei der Neuerrichtung einer Fotovoltaikanlage für einen mittelständischen Gewerbebetrieb, der Sanierung eines mehrgeschossigen Mietwohnungsgebäudes oder bei der Planung einer hocheffizienten, drehzahlgeregelten Pumpe für ein hydraulisches System in der Industrie  - es dauert nicht lange, dann entsteht bei den an der Entscheidung Beteiligten die Frage: Rechnet sich das auch? Schnell ist die Kapitalrückflusszeit (Return on Investment, ROI) bestimmt und schnell wird aus dieser Größe der Schluss gezogen: Nein, das rechnet sich nicht.

Auf diese Weise werden viele Investitionsvorhaben beurteilt und schnell beiseite gelegt. Welche Intention liegt diesem Ergebnis zugrunde? Geht es um die Sache, z.B. eine Energiesparmaßnahme oder um eine regenerative Energieform? Der Prozess der Entscheidungsfindung wird folgend in den Fokus genommen.

  • Was bedeutet die Frage: Rechnet sich das auch? Die Frage nach der Wirtschaftlichkeit wird in der Regel allein auf den Rückfluss des Geldes bezogen. Dieser ist entweder mit konzernseitigen Vorgaben versehen, häufig drei bis fünf Jahre, oder wird nach subjektiven Kriterien eingeschätzt.
  • Was bedeutet die Antwort: Die Kapitalrückflusszeit beträgt...? Diese Antwort zementiert die Kapitalrückflusszeit als maßgebliches Kriterium für Wirtschaftlichkeit. Darin spiegelt sich das Sicherheitsdenken zum Beispiel des Kapitalgebers, z.B. einer Bank, oder auch das der Entscheider im Management.

Die Wirkung dieser Relation, dieses Entscheidungsprozesses, liegt auf der Hand: Viele Maßnahmen werden nicht umgesetzt! Fotovoltaikanlagen mit Kapitalrückflusszeiten von zwölf Jahren, die sich jetzt mit dem neuen EEG auf vierzehn Jahre erhöhen, werden nicht errichtet. Blockheizkraftwerke, deren Wirtschaftlichkeit bei einem Betrachtungszeitraum von zehn Jahren ganz immens ist, werden nicht errichtet. Energieeffizienzmaßnahmen wie drehzahlgeregelte Pumpen, moderne Beleuchtungssysteme, Energiemanagementsysteme oder auch bauliche Maßnahmen werden nicht durchgeführt, obgleich sie sich in ihrer Lebensdauer refinanzieren können und sogar vom ersten Tag an Kosten sparen. Obgleich vielfältige Ziele zur CO2-Reduktion, zur Nachhaltigkeit, zur Effizienz und Effektivität in den langfristig angelegten Entwicklungsplänen der EU, der Bundes- und der Landesregierung definiert sind und sich in vielen Umweltberichten der Unternehmen wiederfinden, scheitern entsprechende Investitionsentscheidungen an der geschilderten Frage-Antwort-Relation. Wie können hier andere Handlungsweisen oder andere Grundhaltungen entstehen?

Prinzipien der Wirtschaftlichkeit

Der modernen Betriebswirtschaft liegen im Wesentlichen zwei Prinzipien zugrunde:

  •   das ökonomische Prinzip der Effizienz und
  •   das Prinzip der Maximierung des Eigennutzens (Adam Smith).

Diese Prinzipien begründen ökonomisches Handeln. Dienstleistungen und Produkte werden so effizient wie möglich hergestellt, entsprechend dem ökonomischen Prinzip wird das optimale Verhältnis von Einsatz zu Ertrag gesucht. Die Arbeit an der ständigen Optimierung bildet das Eigennutzprinzip ab, alle Handelnden streben danach, den persönlichen Nutzen fortlaufend zu maximieren.

Obgleich diese Betrachtung sicher nur skizzenhaft ist, wird deutlich, dass Nachhaltigkeit zunächst im ökonomischen Handeln keinen Platz hat. Nachhaltigkeit und Eigennutz besitzen als Motive zunächst keine Schnittmenge und solange es nicht gelingt, den Gebrauch von Natur und Umwelt durch wirksame Kostenstrukturen abzubilden, wird im Rahmen des ökonomischen Handels- und Bewertungssystems das Ziel der Nachhaltigkeit nicht abbildbar. Aktuell betragen die Kosten für eine Tonne CO2-Emission etwa 6 Euro. Die Initiative der EU, die externen Kosten der CO2-Produktion dadurch zu internalisieren, ist ge-scheitert. Die Frage nach der Wirtschaftlichkeit fokussiert nach wie vor auf die Kapitalrückflusszeit. Sie bleibt damit allein auf der Ebene des Geldes und greift zu kurz. Denn: Die Ebene der Wirkung der Investitionen bleibt unberücksichtigt! Eine Fotovoltaikanlage mit einer Kapitalrückflusszeit von 12 Jahren kann, wenn sie über 20 Jahre finanziert und abgeschrieben wird, schon ab morgen einen günstigeren Strompreis bieten, Emissionen reduzieren und nachhaltig sein.

Wirtschaftlichkeit in der Betriebswirtschaft

In der modernen Betriebswirtschaft sind in den letzten 100 Jahren zahllose mathematische Methoden zur Bestimmung der Wirtschaftlichkeit entwickelt worden. Kein Konzern, der nicht ein eigenes Controlling-System aufgebaut hat, Indikatoren bildet und so ökonomische Prozesse abbildet und steuert.

Doch Wirtschaftlichkeit ist niemals absolut zu sehen. Eine mögliche Investition ist immer nur als Variante mit einer anderen Variante zu vergleichen. Wirtschaftlichkeit ist immer eine Vergleichsbetrachtung und niemals auf eine Sache oder Investition allein bezogen.
Die Frage: Rechnet sich das denn? muss also mit der Gegenfrage beantwortet werden: Im Verhältnis wozu? Vergleichsbetrachtungen sind zum Beispiel:
-    die Gewinnvergleichsbetrachtung
-    die Kostenvergleichsbetrachtung
-    die Verzinsungsvergleichsbetrachtung
-    die Effektivität der Investition (Euro/Tonnen CO2 gespart).
Wesentlich ist der Blinkwinkel des Betrachters. Kapitalgesellschaften wie große Aktiengesellschaften und große GmbHs erwirtschaften eine Eigenkapitalverzinsung. Aktionäre und Gesellschafter suchen eine optimale Verzinsung des eingesetzten Kapitals und werden entsprechend darauf drängen, die Wirtschaftlichkeit es eingesetzten Kapitals zu maximieren.

Unternehmergeführte Unternehmen stellen sich weit weniger die Frage, ob ihr Geld in einem weltweiten Markt Verzinsung produzieren soll oder ob es als Investition in das eigene Unternehmen wirken soll. Die unternehmerische Betrachtung fokussiert darauf, wo mögliche Gewinne im Unternehmen reinvestiert werden können und dort die bestmögliche Wirkung und Zukunftssicherung betreiben (Silhouette: 'Ich kenne keinen besseren Platz für mein Geld als in meinem Unternehmen'.).

Geld und Wirtschaftlichkeit

An dieser Stelle sei als Exkurs ein kurzer Blick auf die Funktion des Geldes getan. In der modernen Wirtschaft und der Betrachtung von Wirtschaftlichkeit hat sich ‚Geld‘ in den letzten Jahrzehnten deutlich verwandelt. Durch die großen Finanzkrisen (Lehmann Brothers), die Staatskrisen in Europa und die übergroße Geldmenge mit der entsprechenden Verzinsung ist Unsicherheit in Bezug auf das Geld entstanden. Vor diesem Hintergrund sind viele Anleger auf einen schnellen Rückfluss ihres Geldes bedacht und fordern einen entsprechend schnellen Return on Investment.

Geld ist ein Werkzeug! Mit diesem Werkzeug sind Investitionen möglich und deren Kosten, für die Nutzung dieses Werkzeugs, sind Zinsen. Aus dieser Perspektive gilt es für ökonomisch und nachhaltig denkende Unternehmen Geld als Werkzeug in Investitionen zu geben und eine Refinanzierung über die Lebensdauer der Maßnahme oder des Produktes vorzunehmen. Dadurch werden Kostenvorteile moderner, innovativer, nachhaltiger und effizienter Investitionen sofort wirksam und für das Unternehmen über die Lebensdauer, langfristig, sicher und wirtschaftlich.

Perspektivenwechsel

Kapitalrückflusszeit und Eigenkapitalverzinsung (nicht selten werden hier drei Jahre gefordert, was einer Eigenkapitalverzinsung von 33 Prozent (!) entspricht) sind übliche und verbreitete Kriterien zur Einschätzung der Wirtschaftlichkeit. Eigenkapital ist üblicherweise Eigenkapital des Unternehmens, das in die zu betrachtende Investition eingebracht wird. Angesichts der zurzeit günstigen Fremd-Finanzierung (am freien Markt für ein bis zwei Prozent) kann es sich empfehlen, eben gerade kein Eigenkapital einzubringen.
Wechsel der Perspektive: Geld wird im Rahmen einer Investitionsentscheidung zum Werkzeug. Dieses Werkzeug wird so lange benutzt, wie es gebraucht wird - und damit wird es zum Kostenbestandteil.

Ein bemerkenswertes Modell bieten hier Schweizer Finanzierungsmodelle. Soziale Einrichtungen erhalten Geld - auf unbestimmte Zeit. Das Interesse des Mittelgebers ist die Verzinsung und eben nicht der Kapitalrückfluss. Der Mittelgeber, der sein Geld zur Verfügung stellt, freut sich über einen geeigneten Ort für sein Geld und sein Interesse ist die Verzinsung des eingesetzten Kapitals sowie und die langfristig sichere Anlage.

Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit

In den letzten Jahrzehnten sind vielfältige Methoden entwickelt worden, die Vorgaben der Nachhaltigkeit im ökonomischen Kontext abzubilden. Diese Methoden zielen darauf ab, externe Kosten des Naturverbrauchs an CO2-Emissionen, Landschaftsverbrauch und Abfallaufkommen wirtschaftlich zu bewerten und in die Wirtschaftlichkeitsberechnungen einzubeziehen. Mit dieser Internalisierung externer Kosten ließen sich im sonst gleichen ökonomischen Prinzip und mit den sonst gleichen Methoden nachhaltige Aspekte in die Entscheidungsprozesse einbeziehen.

Bis heute ist es allerdings nicht gelungen, die externen Kosten, z.B. die CO2-Belastung, so wesentlich zu verteuern, dass in den Wirtschaftlichkeitsberechnungen eine nachhaltige Veränderung geschieht. (Australien schafft im Juli 2014 die Klimasteuer ab, die 340 Betriebe belastet hat.)

Dennoch: Es ist nicht erforderlich, die ökonomischen Gesetze zu verändern. Die ökonomischen Systeme sind leistungsfähig, es gilt einen Perspektivenwechsel vorzunehmen und die ökonomischen Systeme weiter zu entwickeln.

Neues Denken und neue Perspektiven

Welches Potenzial erschließt sich, wenn wir die Wirtschaftlichkeitsberechnungen präzise anwenden und reine Kostenvergleichsrechnungen vornehmen? Wenn wir das eingesetzte Kapital tatsächlich als Werkzeug begreifen und nutzen und damit unsere ökonomischen Grenzen erweitern?

  • Werden sich dann Fotovoltaikanlagen, die heute schon wirtschaftlich sind, häufiger zur Eigenstromerzeugung einsetzen lassen?
  • Werden Kraft-Wärme-Kopplungssysteme, die vom ersten Tag an günstig Wärme und Strom zur Verfügung stellen können, realisiert werden?
  • Werden Energieeffizienzmaßnahmen in unseren Gebäuden realisiert?

Das Potenzial der heute schon wirtschaftlichen Maßnahmen ist groß. Ergänzt durch eine Einbeziehung externer Kosten entstehen viele nachhaltig wirksame und ökonomisch absolut tragfähige Handlungsmöglichkeiten. Der Blick auf die Begriffe hat gezeigt:

  • Die Frage: "Rechnet sich das?" ist nicht präzise genug gestellt, um weitreichende und intelligente Entscheidungen abzuleiten. Die Antwort: "Die Kapitalrückflusszeit beträgt X Jahre", ist allein auf das Geld bezogen, eindimensional und nicht geeignet für eine umfassende Betrachtung der Möglichkeiten.
  • Geld ist ein Werkzeug, das Handeln ermöglicht.
  • Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen sind immer Vergleichsbetrachtungen.
  • Nachhaltigkeit und ökonomisches Denken und Handeln gehen sehr wohl zusammen und können Gewinn bewirken.
  • Die unternehmerische Perspektive, Geld als Werkzeug im und für das Unternehmen zu nutzen, ist tragfähig bei der Umsetzung von Investitionen in nachhaltige und wirtschaftliche Maßnahmen.

Durch diesen Perspektivenwechsel entsteht unter Beibehaltung des Systems eine neue Orientierung mit neuen Ergebnissen. Für die Realisierung von nachhaltigen Projekten ist es nicht erforderlich, Wirtschaftsprinzipien zu ändern oder eine Moraldiskussion zu führen - es reicht, präzise mit den vorhandenen Werkzeugen umzugehen, um einen wesentlichen Schritt zu wirksamem Klimaschutz zu leisten.