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Weiterführende Gedanken und Entwicklungen

Mit den Auswirkungen ihres Handelns auf die Umwelt setzen sich die Menschen in Industriegesellschaften bereits seit einigen Jahrzehnten auseinander. Der Ölpreisschock 1971 gab den entscheidenden Impuls, die autofreien Sonntage 1973, Studien wie ‚Global 2000‘, ‚Die Grenzen des Wachstums‘ und die erste Umweltkonferenz in Rio sind Meilensteine in diesem Prozess. Zahllose Initiativen sind entstanden, Konzepte wurden erstellt und manche von ihnen wurden umgesetzt. Zunächst stand der Begriff ‚Umwelt‘ im Mittelpunkt, bis in den achtziger und neunziger Jahren ‚Ökologie‘ das Thema und der Begriff der Zeit  war. Ökologisches Bauen wurde in der Zeit erprobt, ökologische Produkte bis hin zu ökologischer Kleidung wurden entwickelt, Ökosysteme und ihre Zusammenhänge wurden Gegenstand wissenschaftlicher Betrachtungen.

Mit dem Ende des letzten Jahrhunderts  wandelte sich die Begriffswelt erneut. Der ‚Klimawandel‘ als Realtiät und Begriff rückte in den Vordergrund. Die Diskussion wurde zunehmend global geführt, Klimaschutzziele, bezogen auf die CO2-Belastung und Temperaturziele wurden gestellt. Studien, die vom IPCC und der Internationalen Energieagentur veröffentlicht wurden machen deutlich: Die Klimaveränderung hat begonnen und der Klimawandel ist längst als Tatsache akzeptiert. Folgerichtig werden also Klimafolgeanpassungen geplant und zahlreiche Länder bereiten sich auf die Folgen des Klimawandels vor. Länder der Dritten Welt, denen die Mittel fehlen, sich zu schützen, rechnen mit einem Verlust von Lebensraum und Versorgungsgrundlagen. Hochindustrialisierte Länder schaffen mit Dämmen, Sumpfungssystemen, leistungsfähigeren Regenwasserabfuhrkonzepten, Kühlsystemen und anderen technischen Einrichtungen zunächst Abhilfe.

Entwicklung

Parallel zu den Begriffen veränderten sich die Mittel, die in den letzten Jahrzenten eingesetzt wurden, um das Klima zu schützen. Anfänglich, in den siebziger und achtzier Jahren, wurden gesetzliche Rahmenbedingungen geschaffen, um die Energieeffizienz zu steigern - in diese Zeit gehören die autofreien Sonntage und die Einführung der Sommerzeit. Die Energieeinsparverordnung, das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz, das Erneuerbare Energiengesetz und das Erneuerbare Energien-Wärmegesetz folgten.
Vor vierzig Jahren dachten die Menschen, Ökologie sei die Perspektive, die eine Lösung hervorbringt. Später war man überzeugt, Energiesparen sei die entscheidende Weiterentwicklung. Etwa seit den neunziger Jahren erleben wir den Trend, die Klimaschutzfrage auf der Ebene des Bewusstseins zu verankern. Durch Aufklärung über die Folgen menschlichen Handelns sucht man Einsicht zu fördern und die Menschen anzuregen, ihr Verhalten und damit die Folgen für die Ökologie zu ändern. Inzwischen, seit Beginn des neuen Jahrtausends, werden umweltpolitische Aufgaben und Fragestellungen in ökonomische Prinzipien eingefügt. Die Einführung der CO2-Steuer war ein Versuch, die Umweltauswirkungen zu monetarisieren, die externen Kosten zu internalisieren und so ein ökonomisches System aufzubauen, das von sich aus effizient mit der Umwelt umgeht. Heute, im Jahr 2014, stellen wir fest, dass bei einem Marktpreis von acht Euro pro Tonne CO2 keine wesentlichen Auswirkungen der CO2-Zertifikate auf die Entscheidungen in Gewerbe und Industrie erreicht wurden.

Begrenzung

In den letzten dreißig Jahren sind in Europa, besonders in Deutschland, viele technische Entwicklungen gelungen: Von der Einführung der Brennwertkessel über die Brennstoffzellen, die Energiesparleuchten und LEDs, über Lüftungsanlagen bis hin zur Definition des Minergiehausstandards in der EnEV. Diese Entwicklungen hatten tatsächlich Auswirkungen auf die CO2-Bilanz. Die gesetzten Ziele haben sie aber bei Weitem nicht erreicht. Die angestrebten Klimaziele der Zukunft:
-    2 Grad Temperatursteigerung
-    20 % der heutigen CO2 - Emmission
sind nicht näher gerückt.

Zwar hat die Effizienz in der Energieerzeugung und Energieanwendung stark zugenommen, doch die damit verbundene Energieeinsparung wird durch Wirtschaftswachstum und Nutzungsänderungen überlagert. Als Rebound Effekte zeigen sich diese Überlagerungen bei der Energieeffizienzentwicklung zum Beispiel im Wohnungsbau.

Mit der Abnahme des spezifischen Energiebedarfes für die Beheizung eines Gebäudes ging eine deutliche spezifische Zunahme der genutzten Wohnfläche pro Person einher. Heute stellen wir fest, dass trotz gesteigerter Energieeffizienz der Energiebedarf pro Person in etwa gleich geblieben ist und damit kein Beitrag zum Klimaschutzziel geleistet wurde. Ähnliche Überlagerungen ergeben sich aus demografischen Entwicklungen, ökonomischen Prozessen dem stetigen Wirtschaftswachstum und anderen Bereichen, in de-nen sich nicht nur eine oder zwei Varianten überlagern, sondern gleich sechs oder sieben Prozesse ineinander greifen. (Hierzu sind gesonderte Untersuchungen im aktuellen Bericht der Internationalen Energieagentur zusammengefasst.)

Wie die Untersuchungen von Paul R. Ehrlich gezeigt haben gibt es bislang kein schlüssiges Konzept, die Entwicklung der Weltbevölkerung mit der Entwicklung des Lebensstandards aller Menschen zu verbinden und sozial und umweltverträglich zu gestalten. Zwangsläufig steigt mit der Bevölkerungsdichte der Energiebedarf. Effektivität und Effizienz können diese Bedingtheit nicht ausgleichen.

Die Wahrheit ist, dass es bislang kein überzeugendes Szenario gibt, das für eine Welt mit neun Milliarden Menschen stetig wachsendes Einkommen, soziale Gerechtigkeit und ökologische Nachhaltigkeit verbindet. (Tim Jackson, im Auftrag des Finanzministeriumns UK)

Neue Wege wollen beschritten werden.
Neue Schritte gilt es zu entwickeln.

Entwicklungsraum Kultur

Viele Veränderungen - vom ‚Zeitalter‘ der Ökologie bis zum Klimaschutz - sind im Alltag sichtbar. Fahrzeuge sind mit Katalysatoren und Rußpartikelfiltern ausgestattet. Aus den Spraydosen verschwanden FCKW-haltige Treibmittel. Regenerative Energieen machen im bundesweiten Strommix bald 20 % der Erzeugung aus und auch im Bausektor haben nachhaltige Bau- und Dämsstoffe einzug gehalten und Lebenszyklusbetrachtungen begonnen die Grundlage für Entscheidungsprozesse zu bieten. Der Begriff der Nachhaltigkeit - nun kommen wir im Hier und Jetzt an, denn das ist aktuell der Begriff und auch das Anliegen, das uns beschäftigt! - beinhaltet die Frage, wer und wie dafür sorgen wird, dass politische und technische Neuerungen im täglichen Alltags- und Geschäftsleben wirksam werden. Diese Wirksamkeit kann nur durch eine Gesellschaft als Ganzes, nur durch handelnde Menschen, erreicht werden. Das bedeutet eine spürbare Veränderung der Kultur - und die ist bereits im Gange!

Als ein Beispiel dafür sei die Veränderung in Bezug auf das Rauchen im öffentlichen Raum genannt - hier beobachten wir eine deutlich spürbare Veränderung  des Verhaltens. Es gilt, eine Klimakultur zu leben. Kultur ist, wie Menschen handeln. Kultur ist formende Gestaltung jedes Einzelnen. Nachhaltigkeit gelingt, sobald sie gelebt und getan wird.

Haltung und Handlung

Eine Effizienzrevolution allein, das haben die vorangegangenen Ausführungen und vor allem die in mehreren Jahrzehnten gesammelten Erfahrungen gezeigt, wird nicht zur Erreichung der Klimaziele führen. Es reicht nicht, quantitativ Einfluss zu nehmen. Kultur gestaltet qualitativ. Genau diesen Aspekt greift der Begriff auf, der zurzeit die Diskussion in Sachen Klimaschutz und Ökologie bereichert: Suffizienz.

Unter dem Begriff Suffizienz entwickeln sich sowohl im Privatbereich als auch in der Fachöffentlichkeit eine Denkrichtung und eine Haltung, die nicht nur Verhaltensweisen hinterfragt, sondern auch Handlungsmöglichkeiten und Lösungen anbietet. Suffizienz (lateinisch sufficere, ausreichen) weist auf das rechte Maß hin und thematisiert eine Begrenzung von Mitteln, Konsum und Energiebedarf. Die Besinnung auf das Ausreichende geht keineswegs mit einem Verlust an Lebensqualität einher. Sie erinnert an das, was den Menschen am Herzen liegen, an die Wertestruktur, schlägt die Entschleunigung des Lebens und eine Entflechtung der Lebensweise vor.

Menschen und Kommunen

Können wir eine Kultur des maßvollen Verbrauchs von Energie- und Rohstoffen entwickeln? Können wir sorgsam mit den Produkten umgehen und zu einer Steigerung der Langlebigkeit und Verlängerung der Nutzung einzelner Produkte beitragen? Können wir eine Kultur der sozialen und ganzheitlichen Verantwortung leben? Wir können es. Die zahlreichen sozialen Projekte zeigen, dass eine Haltung abseits der starken Ökonomisierung in den Menschen verankert ist.

Suffizienz - Besinnung auf das Ausreichende, Notwendige, das am Herzen liegende verbunden mit einer Verantwortung für das Ganze. Jeder Einzelne kennt diese Haltung. Über Generationen hinweg haben die Menschen gemeinsam gehandelt und sich gegenseitig unterstützt, Ressourcen gepflegt und gebildet. Nachbarschaften, soziale Initiativen und viele Projekte zeigen die Fähigkeiten und Potenziale auf deren Basis neue Entwicklungen entstehen. Klimakultur beinhaltet Suffizienz.

  • Welche Antworten, welche Maßnahmen, welche Vereinbarungen entstehen, wenn wir an dieser Stelle, mit dieser Perspektive, weiterdenken?
  • Welche Verbundenheit und welche Qualität entsteht in einer Kommune, in der die Menschen nicht das ökonomische Wachstum, sondern das Wachsen dieser Form der Verantwortlichkeit in den Vordergrund stellen?
  • Wo im Geschäft und im Alltag wird Klimakultur bereits heute sichtbar?